Wie eine Gründung beim Après-Ski begann
Drei Männer im Schnee – so fing an, was heute eine moderne, ganzheitliche und sehr gutgehende Sport- und Physiotherapiepraxis mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist. Qualität statt Quantität in der Reha-Arbeit, Zufriedenheit statt Gewinnmaximierung, das wollte das Gründertrio im eigenen Unternehmen verwirklichen, wie Roberto Forcinito im Interview erklärt.
Herr Forcinito, wie und warum kam es zur Gründung Ihrer eigenen Praxis?
Die erste Idee zur Gründung ist 2012 bei einem Skiausflug entstanden, da saßen wir drei, Michael Ghebreselassie, Markus Jedelhauser und ich, abends noch zusammen und haben ein bisschen rumgesponnen. Wir waren damals Kollegen in einem großen Rehazentrum und hatten eigene Vorstellungen, wie wir gerne mit Patienten arbeiten wollten, die wir dort nicht durchsetzen konnten. Da wir drei uns gut verstanden haben und uns fachlich sehr gut ergänzen, lag es nahe, eine eigene Praxis aufzumachen.
Eröffnet haben Sie die Praxis 2014, warum haben Sie sich so lange Zeit gelassen?
Wir wollten nichts überstürzen und brauchten die Vorlaufphase, um alles gründlich zu durchdenken und zu planen. Das war ja auch ein finanzielles Risiko, und wenn es schief gegangen wäre, hätten wir die volle Haftung für den Bankkredit tragen müssen, da muss man schon erstmal schlucken.
Es ging aber nicht schief …
Nein, ganz im Gegenteil. Zum Glück. Wir sind sehr gut gestartet, obwohl wir im ersten Jahr nur selbstzahlende Kunden hatten. Mit der Krankenkassenzulassung im Sommer 2015 ging es dann steil bergauf. Und wir haben sogar die Pandemie überstanden, obwohl das ein massiver Einbruch war.
Sie mussten zum Start eine stattliche Summe investieren, wie lief es mit der Finanzierung?
Überraschend gut. Ein Freund von mir arbeitet bei der Volksbank Stuttgart und hat uns den Kontakt empfohlen. Wir haben die Bank vom ersten Gespräch an als sehr aufgeschlossen erlebt, obwohl wir aus dem Stand heraus gegründet haben und keine Sicherheiten zu bieten hatten. Aber wir konnten wohl mit unserem Businessplan überzeugen.
Beim Businessplan kam Ihnen sicher Ihr kaufmännisches Wissen zugute?
Ja, das hat sich bezahlt gemacht, auch die Erfahrung beim Aufbau eines Fitnessstudios, das ich vor einigen Jahren in Italien geplant und realisiert habe. Unser Bankberater war überrascht, wie gründlich und detailliert der Businessplan war. Ich habe wirklich alle Kostenfaktoren reingerechnet, auch solche scheinbaren Kleinigkeiten wie Desinfektionsmittel und Seife, die man oft unterschätzt. Diese Sorgfalt hat sicher mit dazu beigetragen, dass wir ein gutes Finanzierungsangebot und Förderkredite bekommen haben. Und mit unserem Wachstum ist auch das Vertrauen der Bank in uns weiter gewachsen, so konnten wir problemlos nachfinanzieren, um neue Geräte anzuschaffen und ein weiteres Stockwerk im Gebäude zu übernehmen.
Sie sagten eben, dass Sie eigene Vorstellungen von einer guten Reha-Arbeit haben, was meinen Sie damit?
Wir wollen keinen Massenbetrieb, in dem die Patienten nur möglichst schnell durchgeschleust werden. Wir haben es meist mit Menschen zu tun, die durch eine schwierige Zeit hindurch müssen oder deren Leben durch Krankheit, einen Schlaganfall oder Unfall aus den Fugen geraten ist. Deshalb war uns immer schon wichtig, dass wir uns Zeit für sie nehmen können und individuell auf sie eingehen.
Was heißt das konkret?
Branchenüblich ist zum Beispiel bei physiotherapeutischen Behandlungen eine Taktung zwischen 15 und 20 Minuten pro Patient. Das ist sehr knapp, da kann man nicht wirklich intensiv auf den einzelnen Patienten eingehen und kommt nicht ins Gespräch. Wir haben eine Taktung von 30 Minuten. Das ist übrigens auch weniger stressig für die Mitarbeiter.
Aber rechnet sich das auch?
Man könnte die Praxis auch gewinnmaximiert führen, aber das ist nicht unser Ding. Uns reicht, dass wir mit unseren Familien gut davon leben können, dass wir gute Mitarbeitergehälter und Zusatzleistungen bieten und dass wir in unser Equipment investieren können. Die Zufriedenheit der Patienten und ein familiäres, entspanntes Arbeitsklima im Team sind wichtiger als ein hoher Profit. Man kann ja doch nur eine Wohnung bewohnen und mehr als ein Auto braucht man auch nicht. Meine Mit-Inhaber sehen das genauso.
Ist diese Patientenorientierung Ihr Erfolgsrezept?
Ich denke schon, dass die Patienten das spüren und sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Das ist auf jeden Fall wesentlich mit verantwortlich für unseren Erfolg. Dazu kommt aber noch mehr. Wir haben ein sehr engagiertes, hoch qualifiziertes Therapeutenteam und bieten die komplette Bandbreite an sport- und physiotherapeutischen Behandlungen an. Wir sind zum Beispiel vor Ort die einzige Praxis mit EAP-Zulassung der Berufsgenossenschaft, das ist ein intensives Reha-Programm, das verschiedene Behandlungsformen integriert.
Sie haben bisher eine schöne Erfolgsgeschichte geschrieben, wie soll es für ZST weitergehen, wollen Sie weiter wachsen?
Wir könnten, aber eigentlich wollen wir nicht. Wir haben mal im Inhaberteam über eine mögliche Expansion nachgedacht. Da gab es die Chance, in einem Ärztehaus eine zweite Praxis aufzumachen. Wir haben uns dann aber dagegen entschieden. Wir wollen nicht Manager sein, sondern weiterhin therapeutisch mit Menschen arbeiten und in der Praxis präsent bleiben. Das kann man mit mehreren Standorten nicht mehr. Wir bräuchten auch mehr Personal, das ohnehin schon schwer zu bekommen ist. Wir konzentrieren uns daher lieber auf die Qualität, die wir hier bieten können. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Freude und Erfüllung.
KURZ & bündig
Mein Rat für künftige Gründer:
„In die Selbständigkeit sollte man nur richtig gut vorbereitet gehen. Man muss so ein Projekt von Grund auf überlegen und alle Seiten anschauen, die Risiken abwägen und genau kalkulieren, ob die Idee langfristig tragfähig ist. Das braucht Zeit und kostet Mühe . Aber es geht ja darum, sich möglichst für den Rest des Lebens eine Existenz aufzubauen, vor allem, wenn man Familie hat.“
Was sollten Gründer mitbringen:
„Gründer brauchen Mut. Gute Ideen haben viele, aber die Umsetzung steht auf einem anderen Blatt. Es geht auch nicht immer alles glatt, da muss man dann einen kühlen Kopf bewahren. Fachwissen und Erfahrung sind wichtig. Und ganz altmodischer Fleiß. Man muss sich immer klar sein, dass man erstmal Opfer bringen muss, dass man viel arbeitet, egal ob gerade Sonn- oder Feiertag ist.“
Warum ich lieber selbständig als angestellt bin:
„Ein Job kann auch Spaß machen, wenn man angestellt ist, das kommt auf das Arbeitsklima und den Arbeitgeber an. Aber ich genieße es schon sehr, dass ich in der Praxis gemeinsam mit meinen beiden Mitinhabern eigene Vorstellungen umsetzen kann.“
Mich inspiriert:
„Dass unsere Arbeit Sinn macht. Wir können Menschen wieder auf die Beine helfen, die mit Beeinträchtigungen und oft nach Schicksalsschlägen, wie schweren Unfällen oder einer Krebsdiagnose, zu uns kommen. Es ist unheimlich schön, in die strahlenden Gesichter zu schauen, wenn die Patienten wieder aktiv sein können und Freude am Leben empfinden.“
Mein Lebensmotto:
„Leben in Bewegung – und das nicht nur sportlich gesehen. Man muss sich immer weiterentwickeln, Stillstand geht gar nicht. Das gilt auch für unsere Praxis.“
Profil Gründer:
Roberto Forcinito, 46, vereint sporttherapeutische Kompetenz mit Wirtschafts-Know-how, was für das Start-up von Anfang an sehr wertvoll war. Er machte zunächst eine kaufmännische Ausbildung und später dann sein Hobby Sport zum Beruf. Nach seinem Abschluss als Sporttherapeut betreute er im Auftrag der Stadt Stuttgart Schul- und Jugendsportprojekte in den Stadtteilen. 2008 plante er im Auftrag eines Stuttgarter Studiobetreibers den Aufbau eines Fitnessstudios in Italien und brachte es erfolgreich ins Laufen. Die Familie und der Freundeskreis zogen ihn aber wieder nach Stuttgart zurück. Fünf Jahre lang arbeitete er in einem großen ambulanten Rehazentrum in Cannstatt, wo er Michael Ghebreselassie und Markus Jedelhauser kennenlernte. 2013 gründete das Dreierteam, das sich mit seinen unterschiedlichen Qualifikationen bestens ergänzt, das ZST in Fellbach.
Profil Unternehmen:
Das Zentrum für Sport- und Physiotherapie bietet die gesamte Behandlungskette der Physiotherapie, Osteopathie/Heilpraktik und der Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) unter einem Dach. Auf drei Stockwerken in Fellbach finden sich helle Behandlungsräume, eine Trainingshalle mit modernsten Geräten, eine Gymnastikhalle für die angebotenen Kurse und natürlich auch Duschen und Umkleideräume. 15 hoch qualifizierte Therapeutinnen und Therapeuten unterstützen die Patienten mit neuesten wissenschaftlichen Methoden und individueller Betreuung dabei, ihre gesundheitlichen Ziele zu erreichen. Neben ärztlich verordneten Therapien und Reha-Maßnahmen kann man hier auch Gesundheitssport ohne Vertragsbindung oder Abo-Zwang betreiben. Die Trainings- und Kursräume können auch gemietet oder für das Betriebliche Gesundheitsmanagement von Unternehmen genutzt werden.